Kollektive magnetische Anregungen und gebundene Zustände

 

 

In den Anregungsspektren verschiedener Quanten-Spinsysteme beobachten wir gebundene Zuständen, deren Energien vergleichbar mit der magnetischen Anregungslücke (spin gap) D des Systems sind. Diese neuen Zwei- oder Drei-Teilchenzustände beruhen auf dem Wechselspiel von Dimensionalität und konkurrierenden magnetischen Wechselwirkungen (starke Spinfrustration), die elementare Triplett-Anregungen binden und lokalisieren können. Aus der Zahl und der Energie der gebundenen Zustände können wichtige Aussagen über die Quasiteilchenwechselwirkungen gewonnen werden. Dieser Effekt lässt sich am ehesten mit Exzitonen in Halbleitern vergleichen.  

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Raman-Spektren verschiedener Quanten-Spinsysteme mit auf D normalisierter Energieachse [P. Lemmens, et al, Physica B259, 1050 (1999)].  

 

In diesen Raman-Experimenten werden wegen der vernachlässigbaren Spin-Bahn-Kopplung und dem Singulett-Grundzustand nur Anregungen mit Singulett-Charakter beobachtet . Eine Modellsubstanz stellt hier die Spin-Peierls-Verbindung CuGeO3 dar, da die Temperaturabhängigkeit der Dimerisierung der Spinketten eine Untersuchung des Anregungsspektrums in Abhängigkeit von der Größe des Spingaps erlaubt. Der gebundene Zustand liegt bei 1.78D. Die relative Bindungsenergie dieses Zweiteilchenzustands beträgt EB = 2D - 1.78D = 11%. In NaV2O5 und SrCu2(BO3)2 kann die Bindungsenergie des Zustands mit niedrigster Energie bis zu 80% betragen. 

 

Den Singulett-Zuständen vergleichbare Zustände mit Triplett-Charakter konnten bis jetzt mittels Neutronenstreuung und ESR nur in SrCu2(BO3)2 beobachtet werden [H. Kageyama et al., PRL 84, 5876 (2000)].  

 

Defektinduzierte gebundene Zustände

 

Ein weitere Ursache von gebundenen Zuständen können Spin-Defekte sein. Dies konnte von uns mittels Brillouin-Lichtstreuung an CuGeO3 mit einer Zn-Substitution auf dem Cu-Platz nachgewiesen werden:   

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Inelastische Lichtstreuung an Cu1-xZnxGeO3 mittels eines Fabry-Perot Interferometers. Die Energie des defektgebundenen Zustands ist ca. halb so groß, wie die Energie des "reinen" Singulett-Zustands. Die Intensität des defektgebundenen Zustands steigt für kleine Konzentrationen (x<1%) linear mit der Defektdichte x an, siehe blaue Kurve im Inset. Dies weißt auf eine schwache Wechselwirkung zwischen diesen Zuständen hin. Für größere Defektkonzentrationen führt die Wechselwirkung zu einer Abnahme der Intensität. In magnetischen Messungen wird in diesem Konzentrationsbereich langreichweitige antiferromagnetische Ordnung beobachtet. Die Intensität des reinen Singulett-Zustands fällt schon bei sehr kleinen Defektkonzentrationen schnell ab, siehe rote Kurve im Inset [G. Els et al., Europhys. Lett. 43, 463 (1998)].  

 

Weder der defektgebundene Zustand noch der Zustand im reinen CuGeO3 zeigen eine Aufspaltung in einem Magnetfeld. Sie sind somit eindeutig als Singulett-Zustände identifiziert: 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Brillouin-Lichtstreuung mit und ohne Magnetfeld sowie in alternativen Streukonfigurationen, die kein Signal aufweisen sollten [G. Els, phd-thesis (1999)]. Die gebundenen Zustände zeigen keine Feldabhängigkeit. 

 

 

 

Im Gegensatz zu CuGeO3 konnten wir in SrCu2(BO3)2 bis jetzt noch keine defektinduzierten Zustände beobachten. Dazu haben wir Zn-substituierte Einkristalle intensiv (aber erfolglos) untersucht. Die Substitutionen führen hier nur zu einer marginalen Aufweichung der Auswahlregeln: In der Streugeometrie in der nach der Theorie nur bei endlichen Temperaturen gebundene Zustände beobachtet werden sollten erhöht sich die Intensität, während sie in der orthogonalen Geometrie reduziert wird. Der Unterschied zwischen diesen beiden Spindimer-Systemen liegt möglicherweise in der extremen Lokalisierung der elementaren Anregungen in SrCu2(BO3)2. Hier und bei der Beschreibung der hochenergetischen gebundenen Zustände sind weitere theoretische Untersuchungen der Gruppe um G. Uhrig und Ch. Knetter in Vorbereitung.  

 

In der 1/4-gefüllten Spinleiter NaV2O5 , in der Ladungsordnung bei TSP=34K eine zigzag-Kette induziert,  wurden von uns drei Moden beobachtet, die Kandidaten für gebundene Zustände darstellen.  

 

 

Weiterführende Literatur

Effects of in-chain and off-chain substitutions on spin fluctuations in the spin-Peierls compound CuGeO3, P. Lemmens, et al, PRB 55, 15076 (1997).

Magnetic bound states in the quarter-filled ladder system NaV2O5, P. Lemmens, et al, PRB 58, 14159 (1998).

Collective singlet excitations and evolution of Raman spectral weights in the 2D spin-dimer compound SrCu2(BO3)2, P. Lemmens, et al, Phys. Rev. Lett. 85, 2605 (2000).

Magnetic Light Scattering in Low-Dimensional Quantum Spin Systems, P. Lemmens, Habilitationsschrift, RWTH Aachen (2000), wird veröffentlicht in Physics Reports (2001). 

 

 


 
 

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p.lemmens-at-tu-bs.de, letzte Änderung: 15.10.2004